2. Kentler Studie vorgestellt

Studie: Missbrauchs-Netzwerk um Kentler bis in 2000er-Jahre aktiv

Ein Forschungsbericht der Universität Hildesheim zeigt auf, dass das Netzwerk um Kentler bis in die 2000er-Jahre deutschlandweit sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen ermöglichte. Das Netzwerk duldete, unterstützte und legitimierte laut dem Bericht nicht nur pädophile Positionen und sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen, sondern übte auch selbst Gewalt aus. "Der bisherige Fokus auf die Person Helmut Kentler, auf die Pflegekinderhilfe, auf Berlin und auf die Zeit der 1960er-Jahre und 1970er-Jahre ist zu eng", sagte Caroline Oppermann aus dem Wissenschaftsteam der Universität Hildesheim bei der Vorstellung des Berichts am Freitag in Berlin.

Seit den 70er-Jahren haben Jugendämter Kinder und Jugendliche gezielt an pädophile Pflegeväter vermittelt. Die Idee hatte Sozialpädagoge Helmut Kentler. Eine Studie offenbart nun Ungeheuerliches.

Zentrale Knotenpunkte: Göttingen, Hannover und Lüneburg

Es ist mittlerweile das zweite Forschungsprojekt der Uni Hildesheim zu dem Missbrauchs-Netzwerk rund um Helmut Kentler. Es zeige auf, dass zu dem "stützenden und schützenden" Netzwerk nicht nur die Berliner Kinder- und Jugendhilfe gehörte, sondern auch Beteiligte aus Hochschulen, Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen, Forschungsinstituten sowie der evangelischen Kirche. In dem Bericht werden auch zentrale Knotenpunkte für den strukturellen Machtmissbrauch genannt - neben Berlin auch die niedersächsischen Städte Göttingen, Hannover und Lüneburg. Außerdem sollen noch Tübingen (Baden-Württemberg) und Heppenheim (Hessen) dazu gehören.

Göttingen war ein "Ursprungsknotenpunkt"

Die Täter, die sexualisierte Gewalt ausübten, waren laut dem Bericht fast ausschließlich männlich und hatten hohe wissenschaftliche oder pädagogische Positionen inne. Demnach waren einige von ihnen am Pädagogischen Seminar Göttingen und im niedersächsischen Landesjugendheim tätig. Göttingen soll eine Art "Ursprungsknotenpunkt" gewesen sein - hier sollen die Beteiligten ihre vermeintlich "reformorientierten Ideen" entwickelt haben.

Weiterer Schritt in der notwendigen Aufarbeitung

Die Forschung habe einen Beitrag dazu geleistet, die Mechanismen zu verstehen, die solchen Missbrauch ermöglichten, erklärte die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) bei der Präsentation der Forschungsergebnisse am Freitag. "Der Ergebnisbericht ist ein weiterer Schritt in der notwendigen Aufarbeitung, denn das Leid der Betroffenen ist unermesslich und wirkt ein Leben lang."

Kentler: Pädophile Männer die besseren Pflegeeltern

Kentler vertrat die Meinung, dass sich pädophile Männer als Pflegeväter besser um ihre Schützlinge kümmern könnten als andere Pflegeeltern. Einen Hinderungsgrund sah er darin nicht, dass die Männer dafür Sex wollen könnten. Für ihn war das ein "wissenschaftliches Experiment". Die Pädokriminellen erhielten demnach sogar Pflegegeld. Kentler wurde später nicht strafrechtlich verfolgt, da die Taten verjährt waren. Er war in den 1960er- und 1970er-Jahren Abteilungsleiter am Pädagogischen Zentrum Berlin und anschließend Professor für Sozialpädagogik an der Universität Hannover. Er starb 2008.

Die Studie ist hier nachzulesen​​​​​​​


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